Was wäre, wenn Toyota kein Kata, kein Wertstrom, kein Obeya, … kennt?
Wer kennt es nicht im Lean Umfeld, wenn keine Argumente mehr ziehen, dann ist es Zeit für das Killer-Argument: so macht Toyota das.
In meiner ganzen beruflichen Zeit bin ich immer wieder über Wörter gestolpert, Methoden, deren Ursprung sich mir nicht erschlossen haben.
Was ist meine Erfahrungsbasis? Immer wieder eine Zusammenarbeit mit ehemaligen Toyota Managern aus Burniston und mit Übersetzern. Besonders interessant ist es, mit den Übersetzern ins Gespräch zu kommen, die den Umweg über das Englische nicht brauchen, sondern direkt aus dem Japanischen in das Deutsche übersetzen können. Die einen kulturellen Hintergrund haben, mit dem sie in der Lage sind, das "japanische zwischen den Zeilen" auch im Deutschen so beschreiben, dass die Haltung und Aussagen einigermaßen stimmen.
Bei den Methoden: wer kennt nicht die 5 Why´s? „Warum“ im Deutschen. Wer die Chance hat in Japan zu arbeiten, kann gerne mal versuchen, wie es ankommt fünfmal „Warum“ zu fragen. Mein Erleben war: an die Wand drücken, bloß stellen, die Emotion des Q-Leiters war sehr deutlich damals. Ein absolutes Unding und ein no go in Japan. Geschickte Fragen stellen, das Problem so konkret und messbar wie möglich zu beschreiben, das ist das, was ich aus meinen Kontakten gelernt habe. Es geht um die Sache ohne Persönliches. Wenn ich an meine Kinder denke, die alle die "Warum" Phase erfolgreich hinter sich gebracht haben, der weiß, wie anstrengend und nervend das ist, es führt nicht zu einer Lösung, denn es ist im Deutschen schlichtweg unangenehm. Die Tonlage, die Gestaltung der Frage, alles führt dazu, dass die befragte Person sich alles andere als wohlfühlt und sehr schnell zumacht.
In einigen Gesprächen, ob es mit Übersetzerinnen von Toyota Vortragenden war, mit Ehemaligen aus England, ich habe bis heute keinen getroffen, der Toyota-Kata kennt und gemacht hat. Verwunderlich, denn das, was mir alle Toyotaner unisono erzählt haben, ist die tiefe konsequente Problemlösung, und darum dreht sich absolut alles. Wenn es keine Probleme mehr gibt, wird der Anspannungsgrad über Ziele erhöht und schwupdiwup hat man wieder Problem und die Mannschaft trainiert weiter, die Menschen entwickeln sich weiter. Was hier sehr wichtig ist, alle, und wirklich alle Probleme und Ziele sind eingebunden in einen Hoshin Kanri Prozess und tragen somit zu einem Kunden- und Unternehmenserfolg bei. Es gibt keine Aktivität, die nur so gemacht wird, es hat immer eine Wirkung im Sinne Kunden und Unternehmen. Diejenigen, die sich mit Judo oder Karate z.B. auskennen wissen, was eine Kata ist, wenn man die Chance hat, ein Werk von Toyota zu besichtigen, dann sieht man an dem ein und anderen Ort eine Kata, perfekt abgestimmte Bewegungsabläufe, die intuitiv erfolgen und dabei der Kopf frei ist, Abweichungen zu suchen und zu sehen.
Obeya ist auch ein sehr interessantes Wort, ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ein aktiver stellvertretender Toyota Werkleiter in Japan von uns gefragt wurde, ob er denn auch im Obeya arbeitet. Nach einigem Hin und Her, wir dachten zuerst, es lag an der Übersetzung, konnten wir den Obeya Raum, der durch externe Berater bei uns eingeführt wurde (Toyota macht das so) einordnen. Wir haben dort die gleiche Antwort gehört, wie ich es in den letzten Wochen gehört habe: Obeya ist eine Art Projektraum, wo alle, die an dem Projekt beteiligt sind, arbeiten und ihre Arbeit visualisieren. Die Stilblüten des Obeya Raumes wie War-Room, KPI-Tapeten usw. haben mit diesen ursprünglichen Vorgehensweisen nichts zu tun.
In der letzten Woche hatte ich das Vergnügen, mit einem Senior Manager auf einer Projektanalyse zu arbeiten. Er war von Anfang an beim Aufbau des Werkes in England dabei. In der Analyse haben wir ganz klassisch einen Wertstrom nach Toyota aufgenommen, um die Verschwendungen zu visualisieren und zu bewerten. Abends beim Essen haben wir über den Tag reflektiert und seine Bemerkung war: bei Toyota hat er keinen Wertstrom gemacht. Spannend.
Egal wie die Methoden, Vorgehensweisen, Tools und was auch immer heißen, es geht ausschließlich darum, jede Verschwendung auf dem Weg zum Ziel transparent und messbar zu machen, diese konsequent aufzulösen oder Strategien zu entwickeln, die Verschwendungen kleiner zu machen. Man muss sich entscheiden, ob man im reaktiven jeden Tag nicht noch mehr verlieren möchte, oder ob man strategisch Mehrwert schafft und gewinnt.
Quelle: 11.12.2019, Kleh. Consulting & Solutions, Xing